Auf dem Jakobsweg
Schon während meiner Studienzeit in Barcelona habe ich mit meiner damaligen Transalp immer mal wieder Tagesausflüge in Richtung der Pyrenäen unternommen, die sich allerdings aus Zeit- und Kostengründen auf die östlichen Ausläufer des Gebirgzugs beschränkt haben.
Knapp 20 Jahre später und angespitzt durch die Berichterstattung zur Tour de France war es endlich soweit, das Gebirge einmal von Ost nach West zu durchmessen. Und wenn man schon mal vor Ort ist, kann man auch gleich weiter fahren, durch "das andere, das grüne Spanien", auf dem Jakobsweg entlang der Biskaya bis Santiago de Compostela. Wenn jährlich tausende Menschen den Weg laufen, werde ich das ja wohl fahren können.

Ausgangspunkt Girona
Startpunkt der Route war Girona in Katalonien. Dorthin hatte ich mein Motorrad durch ein Transportunternehmen liefern lassen, um mir zumindest die Anfahrt aus Deutschland sparen zu können. Immerhin wollte ich vom Mittelmeer einmal quer durch Spanien, und die Heimfahrt sollte durch Frankreich über die Straße erfolgen.
Mit frischen Pneus machte ich mich Anfang September 2019 auf den Weg, nach gut 3 Wochen Reisezeit standen rund 5600 Kilometer mehr auf der Uhr.

Nach 5600km sind die Reifen wohl ausreichend rundgefahren.
Durch die Pyrenäen
Die Pyrenäen sind kein kleines Gebirge. Von Perpignan an der Mittelmeerküste bis nach San Sebastian an der Biskaya sind es Luftlinie etwas mehr als 400 Kilometer. Zum Vergleich: die Alpen von Grenoble im Westen bis Graz im Osten erstrecken sich über rund 770 Kilometer (sind aber natürlich deutlich "breiter" als die Pyrenäen).
Da man im Gebirge selten geradeaus fährt, summierte sich die Hinfahrt (Girona -> San Sebastian) auf gut 970 Kilometer bei einer Reisezeit von 5 Tagen (mit einem Tag Pause in Jaca). Auf der Rückfahrt (Victoria Gasteiz -> Carcassonne) habe ich dann aus Motivationsdefiziten nicht mehr jede Kurve mitgenommen.
Sehenswert
Castillo de Loarre
Imposante Festungsanalage auf einer Anhöhe nähe Huesca, Filmkulisse für Ridley Scotts „Königreich der Himmel“
Monasterio de San Juan de la Peña
Es gibt ein altes und ein neues Kloster, die Attraktion ist das alte Kloster, welches in eine Felsspalte hineingebaut wurde. Der Legende nach, wurde hier der Heilige Gral verwahrt.
Roncesvalles und der Ibañeta-Pass
Der Ibañeta-Pass ist ein wichtiger Pyrenäen-Übergang für die Pilger auf dem Jakobssweg und das Bergdorf Roncesvalles ist die erste Pilgerstation in Spanien. Entsprechend trubelig geht es tagsüber in dem winzigen Nest zu. Der Ort war zudem Schauplatz der Schlacht von Roncesvalles.
Col du Tourmalet
Ein Klassiker während der Tour de France, unvergessen auch die Anekdote von Eugène Christophe während der Tour 1913.
La Cité in Carcassonne
Sie ist nicht nur Europas größte komplett erhaltene Festungsstadt, sondern hat auch die einzige mir bekannte Zugbrücke mit Ampelschaltung.
Die Katharerburgen
Gelegen am Nordrand der Pyrenäen im Roussillon und geschichtlich eng verbunden mit Carcassonne; das Schicksal der Glaubensgemeinschaft besungen von Iron Maiden.
- Auf dem Weg zum Tourmalet.
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Angekommen auf dem Tourmalet.
Gute Beine!
- Col de Peyresoude in den Pyrenäen.
- Hommage an die Tour de France auf dem Col d’Aubisque.
Donostia-San Sebastian
Ja, die Stadt hat mich beeindruckt, mit ihrer gelassenen Eleganz.
Als ich im Hotel ankam, lauschte der Rezeptionist gerade einem Jazzkonzert im Radio; durch ihre Lage direkt am Golf der Biskaya, mit einem spektakulären muschelförmigen Strand mitten im Stadtzentrum, ist es nicht ungewöhnlich, Wassersportler mit Surfbrettern durch die Stadt laufen zu sehen. Im Hintergrund bauen sich die Pyrenäen auf, oberhalb der Stadt auf einem Hügel rattert eine Achterbahn in einem Freizeitpark über das Meer und in der quirligen Altstadt türmen sich in den Bars die Pintxos, die am besten mit einem Glas Sagardoa genossen werden. Man kann es aushalten in der Stadt, ganz gut sogar!
- La Concha in San Sebastian
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Ist das Kunst oder kann das weg?
Beides natürlich!
Entlang der Biskaya
Für den geplanten Abfahrtstag aus San Sebastian wurde ein Tiefdruckgebiet mit Wind und Regen angekündigt. "Wie schlimm kann es werden," dachte ich bei mir, "schließlich bin ich 2015 zehn Tage im norwegischen Dauerregen mit Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt umhergefahren." Naja, man lernt halt auch mit Ende Vierzig immer nochmal dazu.
The Bay of Biscay is known for its severe winter storms and early summer fog and rain.
Die ruppige Bedeutung eines Sturmtiefs auf der Biskaya habe ich an dem Tag noch ausgiebig kennenlernen dürfen. Als einzige Orientierungshilfe auf der Autobahn diente die Nebelschlussleuchte des vorausfahrenden LKW, an Absteigen beim Tanken war nicht zu denken, sonst wäre das Motorrad umgeweht worden. Zwei Tage später habe ich zwei britische Motorradfahrer getroffen, vor deren Hotel es sogar geschneit hat.

Mirador de Santa Lucía in Comillas
Ich war froh, als ich im Hotel in Comillas angekommen bin, das geplante Sightseeing-Programm zu den örtlichen architektonischen Perlen des Modernisme fiel aber aus.
Allerdings denke ich mir seitdem, wenn mal wieder ein Fahrtag im Regen ansteht: "Was kann schon passieren, schließlich hast Du 2019 das Biskaya-Tief förmlich alleine ausgetrunken."

In den Picos de Europa.
- Woody Allen in Oviedo
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Fundstück am Wegesrand.
Triumph-Fahrer werden es verstehen.
Santiago de Compostela
Santiago de Compostela beherbergt bei nicht nicht ganz 100.000 Einwohner eine Universität mit rund 45.000 Studierenden. Hinzu kamen im Jahr 2019 noch 350.000 Jakobspilger (registriert durch das Pilgrim's Office), "normale" Touristen und Fußfaule wie ich. Kurzum: in der der kleinen Stadt ist im Sommer ordentlich was los!
Trotz des ganzen Trubels und vermutlich gerade aufgrund der vielen Pilger herrscht in der Stadt eine gelöste Atmosphäre. Während meiner zwei Tage Aufenthalt war es immer wieder berührend, wenn kleinere Gruppen von Pilgern vor der Kathedrale ankamen und zusammensanken; erschöpft ja, aber glücklich, die Strapazen von 800 Kilometer (oder mehr) Fussmarsch durch teilweise bergiges Gelände hinter sich gebracht zu haben.
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Auch da!
Vielleicht etwas zügiger als der Rest der Touristen.
- Die Kathedrale in Santiago.